Die statische Entwicklung



Mit zunehmenden Alter, entwickelt sich der vitale Baum in seiner gesamten Struktur weiter. Stimmen die Proportionen innerhalb der Wachstumsfaktoren, dann wird er nicht nur höher, sondern das Kronenvolumen nimmt gleichermaßen zu. Die Wurzeln entwickeln sich ebenfalls weiter, Astwerk und Stamm werden stärker. Mit jeder Zunahme seines Volumens, kommen eben stets auch veränderte oder neue statische Belastungen auf einen Baum zu, denen er sich anpassen muss und auch kann.

Entscheidend für die Statik ist die Zusammensetzung aus den drei Faktoren Last, Form und Material.

  • Die Last setzt sich aus der Luftbewegung, der Kronenfläche, dem Hebelarm, dem Eigengewicht des Baumes, zusätzliches Fremdgewicht und Temperaturunterschieden zusammen.
  • Die Form wird bestimmt durch die Hebelverhältnisse, dem Stammdurchmesser, dem Astdurchmesser, der Form des Durchmessers, eventuell vorhandener Aushöhlungen und dem Hebelarm der Wurzeln.
  • Das Material wird bestimmt durch die Vorspannung, der Festigkeit, der Elastizitätsgrenze, sowie dem Bereich zwischen primären und sekundären Versagens.

Für die Festigkeit des Holzes ist der faserartige Aufbau der Zellen in Längsrichtung verantwortlich. Bei der Festigkeit unterscheiden sich, trotz des verschiedenen Holzaufbaues, die Laub- von den Nadelgehölzen nur unwesentlich voneinander.

  • Auftretende Zugbelastung durch Wind hält etwa das doppelte an Belastung aus, als die Druckbelastung. Zugkräfte entstehen immer auf der windzugewandten Seite, Druckkräfte auf der windabgewandten Seite.
  • Druckfestigkeit ist der ausschlaggebende Faktor, der anzeigt, bei welcher Elastizitätsgrenze der Baum das sogenannte Primärversagen erreicht. Dies ist der Punkt, an dem der Baum unter einer Biegung an der äußersten Randfaser bleibend, gestaucht werden kann. Das sekundäre Versagen bezeichnet dann den endgültigen Bruch.
  • Der Baum versucht beim Aufbau der Fasern eine gleichmäßige Belastbarkeit aufzubauen, die sogenannte gleichmäßige Oberflächenspannung. Da der Stamm normalerweise von unten her dicker wird, kann er aufgrund der zunehmenden Wachstumshöhe, den ebenfalls bei Belastung wachsenden Hebelarm, durch den erhöhten Angriffspunkt des Windes ausreichend entgegenwirken.
  • Befindet sich der Baum in einer Gruppenpflanzung, so ist er von Jugend an auf ein erhöhtes Längenwachstum ausgerichtet, um sich von der knappen Lichtquelle ein ausreichendes Stück zu sichern. Durch diesen besonders geförderten Höhenwuchs, aufgrund des entstandenen Konkurrenzdruckes, hat er aber sein Dickenwachstum im Stammbereich vernachlässigen müssen.
  • Das vernachlässigte Dickenwachstum, im Verhältnis zu seiner Höhe, wird aber von seinen Nachbarn größtenteils aufgefangen. Die Gruppe schützt und stützt sich quasi gegenseitig. Wird nun im Zuge einer Entnahme durch eine nötige Fällaktion oder eines umgekippten Baumes die Struktur dieser - als eine Einheit anzusehenden Gruppe - verändert, kann es zum Dominoeffekt kommen, da ein oder mehrere Pfeiler des Bestandes für die gesamte Statik fehlen.
  • Die Temperatur kann sich ebenfalls negativ auf die Statik und auch für die weitere Entwicklung des Baumes auswirken. Starke Schwankungen können dafür sorgen, dass der Baum im Holzkörper noch sehr warm ist, während die Außenfläche bereits stark abgekühlt wurde. Dadurch können Stammrisse entstehen, da sich das äußere grüne Holz zusammenzieht.
  • Steht ein Baum in der Nähe eines Gebäudes, kann dadurch ein Schutz des Baumes oder der Gruppe bewirkt werden. Aber genauso gut kann sich dieser Effekt ins Gegenteil umkehren. Diese Gefährdung entsteht durch verwirbelte Windböen, die einen oder mehrere Bäume aus einer Gruppe regelrecht drehen können. Ist dieser Baum dazu noch recht schlank für seine Höhe, dann ist er zudem noch anfällig für extreme Schwingungen, was sich für seine Standfestigkeit zusätzlich negativ auswirken kann.
  • Je schwingungswilliger ein Baum ist, desto stärker werden bei wechselnden Böen die Schwingungen, die den Baum an seine Elastizitätsgrenze bringen oder auch ein losrütteln der Wurzeln zur Folge haben können. Da diese Wetterbedingungen oft mit starken Regenfällen einhergehen, wirkt der aufgeweichte Boden zusätzlich destabilisierend auf das Wurzelwerk.
  • Dies ist auch oft der Fall, bei zu nah an Gebäuden gepflanzten Einzelbäumen. Auch hier will der Baum schnell nach oben, um über das Gebäude zu kommen. Bei falscher Sortenwahl für diesen Standort, müssen diese Bäume auch oft sehr hoch aufgeastet, beschnitten und künstlich schlank gehalten werden. Erreicht der Baum die Dachhöhe, ist er einer zusätzlichen Windbelastung ausgesetzt, für die er statisch in vielen Fällen noch nicht ausgerichtet ist.
  • Ebenfalls durch falsche Standort- oder Sortenwahl, kommt es oft zu Schrägstellungen oder einer einseitig entwickelten Kronenform, die sich auch zu einer erhöhten Dreh- oder Kippgefahr entwickeln kann.
  • Nicht zuletzt spielt auch für den Baum der zur Verfügung stehende Wurzelraum eine statische Rolle. Ist die Bodenfreiheit ausgereizt kann dies bedeuten, dass für die auftretenden Windlasten die Verankerung des Wurzelwerkes irgendwann einfach nicht mehr ausreichend ist.


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